Modellprojekt GUT – Gemeinschaftlich mit unterstützter Teilhabe

Analyse der aktuellen Lebenssituation von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und herausfordernden Verhaltensweisen in NRW zu den Themenfeldern unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft, Wohlbefinden und (psychische) Gesundheit sowie Arbeit und Beschäftigung

Projektzeitraum:
01.04.2023 - 31.03.2026

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Informationen zum Projekt

Hintergrund und Projektvorhaben

Wir wissen über die Umsetzung der UN-BRK (bezogen auf die Themen (psychische) Gesundheit, Soziale Teilhabe und Arbeit und Beschäftigung) bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen in NRW zu wenig Konkretes. Das beginnt mit der Bedarfslage, wie viele Personen überhaupt dem Personenkreis zuzuordnen sind und wie und wo sie leben. Welche staatlichen und sozialen Unterstützungssysteme existieren und werden von dem Personenkreis auch genutzt? Wie sind die gesundheitlichen Versorgungsstrukturen, die Zugangswege und die Schnittstellen zwischen den Gesundheitsangeboten – insbesondere zur psychischen Gesundheit – und der Eingliederungshilfe ausgestaltet? Und wo besteht womöglich weiterer Handlungsbedarf, um diesem vulnerablen Personenkreis ein gesundes Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen? Der Abschlussbericht der Expertenkommission „Herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe“ hat diese Problemlagen in vielfältiger Hinsicht beleuchtet und bundesweit die schwache Datenlage bemängelt, was klare Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen erschwert.

Diese Lücke an belastbaren Daten zur Lebens-, Wohn- und Beschäftigungssituation und Gesundheitsversorgung von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und herausfordernden Verhaltensweisen wird in einem ersten Schritt im Projekt GUT durch eine wissenschaftliche Recherche und Analyse adressiert. Zentral für die Umsetzbarkeit und Ergebnisqualität ist die Beteiligung der wesentlichen Akteurinnen und Akteure inklusive der partizipativen Koproduktion von Menschen mit Beeinträchtigungen.

Der wissenschaftliche Stellenwert der zu erwartenden Erkenntnisse ergibt sich insbesondere aus der methodischen Herangehensweise: Mittels multiperspektivischen Blicks – und entsprechender Gestaltung des Erhebungsdesigns – auf die Lebenslagen und Schnittstellen werden die Sichtweisen von Expertinnen und Experten aus Erfahrung, An- und Zugehörigen, Mitarbeitenden und weiteren Expertinnen und Experten verschiedenster Berufsgruppen einbezogen, zusammengebracht und gegenübergestellt. Um passgenaue Angebote der Unterstützungssysteme für vulnerable Gruppen zu entwickeln, benötigt es verlässliche Daten zur Gesundheitsversorgung, zur aktuellen Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung sowie zur Sozialen Teilhabe. Dabei ist eine Perspektivenverschränkung der wesentlichen Akteurinnen und Akteure inklusive der partizipativen Koproduktion von Menschen mit Beeinträchtigungen zentral. Einschätzungen, Sichtweisen und Erwartungen von Leistungsanbietern und -trägern, Expertinnen und Experten als auch von der Zielgruppe selbst werden zu einer ganzheitlichen Datenlage beitragen, um daraus perspektivisch die Versorgungsstrukturen in NRW passgenau anpassen zu können. Um Diskussionen und einen Austausch mit den Assistenznehmern und -nehmerinnen, der Fachpraxis und der wissenschaftlichen Community anzustoßen, werden die Ergebnisse abschließend zu Empfehlungen für diesen Personenkreis ausgearbeitet.

Das Ziel des Modellprojektes GUT

ist es, die gegenwärtige Lebenssituation des Personenkreises in NRW zu ermitteln und eine breitere empirische Datengrundlage zu schaffen. Die verschiedenen Lebensbereiche sollen mit einem Methodenmix, bestehend aus

  • einer Literaturrecherche zu den oben genannten Themenfeldern,
  • Interviews mit Expertinnen und Experten aus Erfahrung und Mitarbeitenden der Leistungserbringer aus dem gleichen Setting,
  • Fokusgruppen mit Expertinnen und Experten aus Erfahrung, Mitarbeitenden der Leistungserbringer, An- und Zugehörigen, Vertreterinnen und Vertreter der Leistungsträger, Kommunen, Bezirksregierungen, Fachverbänden und Fachgesellschaften und
  • einer für NRW flächendeckenden, systematisierten Datenerhebung (Online-Erhebung) aller relevanten Leistungsanbieter und -träger untersucht werden. Quantitative Daten werden mit den Einschätzungen, Sichtweisen und Erwartungen von Leistungsanbietern und -trägern, von Expertinnen und Experten und von Betroffenen verknüpft. Die Ergebnisse münden in der Erarbeitung von konkreten, praxisbezogenen Empfehlungen zur Verbesserung der Teilhabechancen und der Weiterentwicklung des Versorgungsangebots für diesen Personenkreis in NRW auf Basis des empirischen Datenmaterials.
    Wesentlich für die Datenerhebung und Zielerreichung sind hierbei der Einbezug der Akteure aus der Praxis und der Zugang in das vielfältig strukturierte Praxisfeld.

Im ersten Projektjahr werden die Vorbereitungen für die Erhebungen getroffen. Unter anderem auf der Basis der systematischen Literaturrecherche zu den Themenfeldern (psychische) Gesundheit, Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung und Soziale Teilhabe werden Konzepte zu den Interviews und den Fokusgruppen entwickelt. Der Zugang in das Praxisfeld und die Durchführung der Interviews und Fokusgruppen beginnt im Februar 2024. Hierzu werden die relevanten Akteurinnen und Akteure aus NRW kontaktiert und informiert. Zufällig ausgewählte Angebote und Dienste werden zu den (insgesamt ca. 40) Interviews und (ca. 12) Fokusgruppen eingeladen und um Teilnahme gebeten.

Parallel wird das Erhebungsinstrument für die systematisierte Datenerhebung entwickelt. Im Frühsommer startet die für NRW flächendeckende, systematisierte Datenerhebung (in Form einer Online-Fragebogen-Erhebung) aller relevanten Leistungsanbieter und -träger. Hierzu werden alle relevanten Akteurinnen und Akteure aus NRW kontaktiert, informiert und eingeladen, an der Befragung teilzunehmen. Jeder ausgefüllte Fragebogen trägt dazu bei, wichtige Einblicke und Erkenntnisse zur Lebenssituation von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und herausfordernden Verhaltensweisen zu erhalten.

Die Auswertung erfolgt bereits parallel zu den Erhebungen. Um Diskussionen und einen Austausch mit den Assistenznehmerinnen und -nehmern, der Fachpraxis und der wissenschaftlichen Community anzustoßen, werden die Ergebnisse abschließend zu Empfehlungen für diesen Personenkreis ausgearbeitet.

Zielgruppe

Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen

Im Zentrum des Erkenntnisinteresses stehen Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, bei denen ein Verhalten vorliegt, welches von einer solchen Intensität, Häufigkeit oder Dauer ist, dass es

  • die Lebensqualität und/oder
  • die körperliche Sicherheit der Person oder Anderer gefährdet und
  • wahrscheinlich zu restriktiven oder aversiven Reaktionen oder zur Isolation führt (Definition nach dem The Royal College of Psychiatrists, 2007).

Insbesondere sind Personen eingeschlossen, die einen Beschluss für freiheitseinschränkende oder -entziehende Maßnahmen haben oder davon bedroht sind (im Sinne des § 1831 BGB). Für sie bestehen oft ergänzende Einzelvereinbarungen mit dem Leistungsträger zur Sicherstellung eines besonderen Assistenzbedarfes. Menschen des Personenkreises sind zudem häufiger von einer Einweisung in eine psychiatrische Klinik bedroht bzw. haben diese gerade erlebt und leben oftmals in einem hochstrukturierten ggf. (fakultativ-)geschlossenen Setting – auch um besonderen Schutz, Sicherheit und umfassende spezielle Assistenzleistungen zu erhalten. Umstände, die hierzu führen können, sind u.a. bestimmte Verhaltensweisen gegen sich selbst oder andere (beispielsweise nach ICD-11 MB23.0 Aggressives Verhalten, MB23.1 Antisoziales Verhalten, MB23.2 Vermeidendes Verhalten, MB23.6 Desorganisiertes Verhalten, MB23.8 Disruptives Verhalten oder MB23.S Suizidales Verhalten) oftmals gepaart mit einer Heraus-/Überforderung des Systems bzw. des Personals oder der Mitmenschen. Diese auffälligen Verhaltensweisen werden im Sinne der ICF als bio-psycho-sozialer Wechselwirkungsprozess körperlicher Faktoren, psychischer Entwicklungsprozesse sowie Kontextfaktoren der sozialen und materiellen Umwelt verstanden. Ob und welches Verhalten als auffällig oder herausfordernd wahrgenommen wird, hängt von geltenden Normen, von interaktiven Prozessen und vom jeweiligen sozialen Kontext ab (MAGS NRW, 2021).

Um Personen aus der Zielgruppe zu erreichen ist das Forschungsfeld breit aufgestellt:
Wir erheben Daten in besonderen Wohnformen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Psychiatrischen Kliniken (einschließlich Psychiatrischen Institutsambulanzen) und Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung. So erhoffen wir uns, auch Menschen zu erreichen, die in der eigenen Häuslichkeit und nicht in besonderen Wohnformen leben.

Projektteam

Projektkoordination

  • Mark Weigand, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Geschäftsführer Stiftungsbereich Bethel.regional (Projektleitung)
  • Franziska Myszor, v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Stiftungsbereich Bethel.regional

Wissenschaftliches Kernteam

  • Prof. Dr. med. Tanja Sappok, Krankenhaus Mara gGmbH, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Wissenschaftliche Projektleitung
  • Prof. Dr. Ingmar Steinhart, Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialpsychiatrie M-V, Wissenschaftliche Projektleitung
  • Judith Reuter, Klinik Mara der Medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Heike Schneider, Krankenhaus Mara gGmbH, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Antonia von Reden, Krankenhaus Mara gGmbH, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Bielefeld (Wissenschaftliche Assistenz)
  • Julian Lauhoff, Krankenhaus Mara gGmbH, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Bielefeld (Wissenschaftliche Assistenz)

Wissenschaftliche Beratung

  • Prof. Dr. Andreas Speck, Hochschule Neubrandenburg, Professor – Sozialpsychologie, Sozialpsychiatrie und Gender/Diversity
  • Prof. Dr. Elisabeth Wacker, TU München, Professorin – Diversitätssoziologie und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats zum Bericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigung
  • Prof. Dr. Christoph Karlheim, Evangelisches Klinikum Bethel, Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld, Leitung Innovation und Forschung
Projektbeirat

Mitglieder der Expertenkommission „Gewaltschutz NRW“ inkl. Expertinnen und Experten aus Erfahrung, Vertreterinnen und Vertreter der Landschaftsverbände und der Freien Wohlfahrt, des Ministeriums Arbeit, Gesundheit, Soziales NRW, der AG MZEB, der psychiatrischen Krankenhäuser und der Krankenkassen.

Dr. Christian Bradl
Stellvertretender Vorsitzender,
Deutsche Heilpädagogische Gesellschaft (DHG)

Torsten Brückner
Hotel Lindenhof, Betriebe Bethel, Bielefeld

Johannes Chudziak
Landesrat
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
LWL-Sozialdezernat

Dr. Dr. Thomas F. Dielentheis
Chefarzt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
LVR-Klinik Langenfeld, Landschaftsverband Rheinland

Alexander Engel
Zentrumsleitung
Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. -Diakonie RWL,
Zentrum Eingliederungshilfe

Thomas Fritz
Unternehmensbereichsleiter Krankenhäuser & Rehabilitation,
AOK NordWest

Günter Garbrecht
Vorsitzender der Expertenkommission „Herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Errichtungen der Behindertenhilfe“,
Ombudsperson des Medizinischen Dienstes Westfalen-Lippe,
ehemaliger Abgeordneter und langjähriger Vorsitzender des Sozialausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags

Holger Gierth
Geschäftsführung,
Sozialwerk St. Georg e.V.

Dr. Fatima Imamovic
Referat VI B 4 - Rechtsfragen der Eingliederungshilfe, Wohnen von Menschen mit Behinderung,
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Norbert Müller-Fehling
Mitglied der Expertenkommission: Herausforderndes Verhalten und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe

Ernst-Wilhelm Rahe
Fachreferent Projekte in der Eingliederungshilfe/Koordinator der Freien Wohlfahrtspflege in der Gewaltschutzinitiative NRW,
Der Paritätische NRW/Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (Arbeitsausschuss Hilfe für Menschen mit Behinderung)

Dr. Dieter Schartmann
Leiter des Fachbereiches Eingliederungshilfe II (FB 73), Dezernat Soziales,
Landschaftsverband Rheinland

Cornelia Sennewald
Gruppe IV A Psychiatrie/Krankenhaus – Krankenhausversorgung,
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Ehrenfried Steltner
proWerk Holzspektrum, Bielefeld Sennestadt

Dr. med. Jörg Stockmann
Chefarzt Inklusive Medizin / Internist,
Evangelisches Krankenhaus Hagen-Haspe der Ev. Stiftung Volmarstein, Klinik für Inklusive Medizin

Kontakt Projektkoordination

Franziska Myszor
franziska.myszor@bethel.de
Tel.: 0160 99806079

Mark Weigand (Geschäftsführung)
Mark.weigand@bethel.de
Tel.: 0231 534250-107

Gefördert durch

Stiftung Wohlfahrtspflege NRW